V. Hiobs Schlußrede an seine Freunde (Kap. 27-28)
27
1 Hierauf fuhr Hiob nochmals in seiner Rede so fort:
2 »So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzogen, und der Allmächtige, der mich in Verzweiflung gestürzt hat:
3 Solange irgend noch mein Lebensodem in mir ist und Gottes Hauch in meiner Nase –
4 nie sollen meine Lippen eine Unwahrheit reden und meine Zunge eine Täuschung aussprechen!
5 Fern sei es also von mir, euch recht zu geben, nein, bis zum letzten Atemzuge verleugne ich meine Unschuld nicht!
6 An meiner Gerechtigkeit halte ich fest und lasse sie nicht fahren: mein Gewissen straft mich wegen keines einzigen meiner Lebenstage!«
7 »Wie dem Frevler möge es meinem Feinde ergehen und meinem Widersacher wie dem Bösewicht!
8 Denn welche Hoffnung hat der Ruchlose noch, wenn Gott seinen Lebensfaden abschneidet, wenn er ihm seine Seele abfordert?
9 Wird Gott wohl sein Schreien hören, wenn Drangsal über ihn hereinbricht?
10 Oder darf er auf den Allmächtigen sich getrost verlassen, Gott anrufen zu jeder Zeit?«
11 »Ich will euch über Gottes Tun belehren und, wie der Allmächtige es hält, euch nicht verhehlen.
12 Seht doch, ihr alle habt euch selbst davon überzeugt: warum seid ihr gleichwohl in so eitlem Wahn befangen?
13 Dies ist das Teil (=Schicksal, Los) des frevelhaften Menschen bei Gott und das Erbe der Gewalttätigen, das sie vom Allmächtigen empfangen:
14 Wenn seine Kinder (oder: Söhne) groß werden, so ist’s für das Schwert, und seine Sprößlinge haben nicht satt zu essen.
15 Wer ihm dann von den Seinen noch übrigbleibt, wird durch die Pest ins Grab gebracht, und ihre Witwen stellen nicht einmal eine Totenklage an.
16 Wenn er Geld aufhäuft wie Staub und Gewänder ansammelt wie Gassenschmutz:
17 er sammelt sie wohl, aber ein Gerechter bekleidet sich mit ihnen, und das Geld wird ein Schuldloser in Besitz nehmen.
18 Er hat sein Haus gebaut wie ein Spinngewebe und wie eine Hütte, die ein Feldhüter sich aufschlägt:
19 als reicher Mann legt er sich schlafen, ohne daß es (d.h. das Geld) schon weggerafft wäre – schlägt er die Augen auf, so ist nichts mehr da;
20 Schrecknisse überfallen ihn bei Tage, bei Nacht rafft der Sturmwind ihn hinweg;
21 der Ostwind hebt ihn empor, so daß er dahinfährt, und stürmt ihn hinweg von seiner Stätte.
22 Gott schleudert seine Geschosse erbarmungslos auf ihn; seiner Hand möchte er um jeden Preis entfliehen.
23 Man klatscht über ihn in die Hände, und Zischen folgt ihm nach von seiner Wohnstätte her.«